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Bergstraßen Gymnasium
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Gegen das Vergessen



„Wer sich dazu herablässt, die Erinnerung an die Opfer zu verdunkeln, der tötet sie ein zweites Mal“, so der Holocaustüberlebende und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel anlässlich des Holocaustgedenktages im Jahre 2000. Der Journalist und Schriftsteller Ralph Giordano sprach in Bezug auf Verdrängung und Verschweigen im Zusammenhang mit dem Holocaust von einer „zweiten Schuld“ der Deutschen. Und damit sich diese Vorwürfe nicht bewahrheiten, macht es sich das Bergstraßen-Gymnasium Jahr für Jahr am Holocaustgedenktag, dem 27. Januar, zur Aufgabe, die Erinnerung wachzuhalten, die Bedeutung des Verbrechens für die Geschichte der Menschheit zu reflektieren und die Wichtigkeit für unsere Gegenwart deutlich zu machen. Deswegen organisierte die Geschichtsfachschaft drei unterschiedliche Erinnerungsveranstaltungen.

Die Oberstufe schaute sich im Programmkino „Brennessel“ den NS-Propagandafilm „Hitlerjunge Quex“ an. Ziel dieses Films war es, die Jugend für den Nationalsozialismus und seine „Werte“ wie Opferbereitschaft, Hingabe und Gehorsam zu begeistern. Erst dies machte es möglich, dass völlig enthemmte Täter die Grausamkeiten an Menschen jüdischen Glaubens begingen. Von einem „Wahn“ zu sprechen, ist angesichts der eiskalten bürokratischen Vorarbeiten kaum möglich. Da der Film auf dem Index steht und nur unter Vorbehalt gezeigt werden darf, führte Arndt Klingelhöfer vom Institut für Kino und Filmkultur in die Thematik ein und moderierte die anschließende Diskussion.

Zwei neunte Klassen des Bergstraßen-Gymnasiums widmeten sich unter der Leitung der Geschichtslehrkräfte Katalin König und Hans-Peter Vogel den Biografien der Hemsbacher Jüdinnen und Juden, die zumeist entweder im Konzentrationslager Gurs oder im Vernichtungslager Auschwitz umgebracht wurden. Kurzreferate der Schülerinnen und Schüler zu den jeweiligen Lebensläufen machten deutlich, dass hier Menschen am hellichten Tage aus ihrem Leben gerissen wurden, ohne dass jemand eingriff. Ein Rundgang zu den in Hemsbach verlegten Stolpersteinen und ihre Reinigung komplettierten diese Erinnerungsveranstaltung.

Die dritte 9. Klasse durfte Georges Stern aus Mannheim als Zweitzeugen an der Schule willkommen heißen. Herr Stern hat nicht „direkt“ den Holocaust erlebt, wenngleich er 1944 geboren wurde. Seine Eltern überlebten das Konzentrationslager Gurs einen Tag vor der Deportation nach Auschwitz, indem sie spanischer Wärter bestachen. Der Vatter hatte einen 100 Dollarschein im Griff seines Rasierpinsels versteckt – das war die Rettung. Jüdische Hilfsorganisationen, die im Untergrund arbeiteten, verhalfen der Familie unter falschem Namen, in Lyon unterzukommen. In der Höhle des Löwen. Denn nicht nur, dass man sich mit Lyon den von den deutschen besetzten Teil Frankreichs als neue Bleibe ausgesucht hatte, sondern auch noch die Stadt, in der der so genannte „Schlächter von Lyon“, der dortige Gestapochef Klaus Barbie, als „Judenjäger“ sein Unwesen trieb. Hier wurden zunächst die Tochter und dann der Sohn, Georges Stern, geboren. Die Familie überlebte und entschloss sich 1950, in die Heimat nach Mannheim zurückzukehren. In der sich dann auch noch die Mutter, Opfer des Nationalsozialismus, einer Entnazifizierungsaufforderung gegenübersah.

Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich zutiefst beeindruckt von dem Schicksal der Familie Stern. Und das hatte auch viel mit Herrn Stern zu tun. Nicht nur, dass er offen und geduldig alle Fragen beantwortete, sondern auch, dass er bei all den Schwierigkeiten, mit denen auch Kinder von Holocaustüberlebenden zu tun haben (Schlussstrichmentalität, nicht tot zu kriegender Antisemitismus), seine Lebensfreude und sein Optimismus nicht verloren hat. Was er sich denn von der heutigen Jugend wünsche, wurde er gefragt. „Dass sie nicht vergessen, einfach, dass sie nicht vergessen.“

Dass Herr Stern sich um diese zweite mögliche Schuld zumindest für das Bergstraßen-Gymnasium nicht sorgen muss, bewies der gestrige Holocaustgedenktag eindrucksvoll. Was angesichts eines neuen Höchststandes von mehr als zehn antisemitischen Vorfällen pro Tag in Deutschland auch dringend notwendig ist.

(Stefan Weber, Abteilungsleiter)

> Fotos: Schüler*innen der 9c beim Putzen der Stolpersteine (oben) und Schüler*innen der 9b mit Georges Stein (unten)

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